Position zu Bodenpolitik und sozialem Wohnungsbau

Zeichnung mit einem Wohnhaus, einem Einfamilienhaus, einem Büro- und Geschäftshaus, Industriebrache und Supermarkt
Alle diese verschiedenen Gebäude und deren Nutzungen finden auf derselben Ebene statt. Unserem Boden.

Bodenwertsteuer als Grundsteuer B in Hamburg und dynamische Belegungsbindungen

Einführung
Die Grundsteuer B wird derzeit noch mit Hilfe des seit der Weimarer Republik eingeführten Einheitswertes berechnet.1) Der Einheitswert wurde von den Finanzämtern für Wirtschaftsgüter festgelegt und fortgeschrieben. Am 10. April 2018 erklärte das Bundesverfassungsgericht die weitere Verwendung der veralteten Einheitswerte der westdeutschen Grundstücke für verfassungswidrig, da wegen der realitätsfernen Werte eine gerechte Besteuerung nicht mehr gesichert sei.2)

Nationale Grundsteuerreform
„Zum 1. Januar 2025 wird die neue Grundsteuer als unbürokratische, faire und verfassungsfeste Regelung in Kraft treten. Damit verliert der Einheitswert als Berechnungsgrundlage seine Gültigkeit und eine neue Bemessungsgrundlage ist zu ermitteln. Die Mehrzahl der Bundesländer folgt bei der Reform dem Bundesmodell.“ Dabei sind von den Steuerpflichtigen Angaben zur Lage, Bodenrichtwert, Grundstücksgröße, Gebäudeart, Baujahr und Wohnfläche zum Stichtag 1. Januar 2022 zu machen.3)

Verbundene Steuer, Flächensteuer
Hamburg hat sich für eine abweichende Methode zur Berechnung der Bemessungsgrundlage entschieden. Der Bodenrichtwert und der Ertrag spielen keine Rolle, jedoch gibt es ein Wohnlagenmodell, es besteht wie beim Mietenspiegel aus zwei Stufen: „normal“ und „gut“. Die Nutzfläche der Gebäude wird ebenso einberechnet. Bei normalen Lagen und Denkmälern, wie auch gefördertem Wohnraum wird ein Rabatt von 25% auf die Messzahl gewährt. Dieses Modell kann als „verbundene Steuer“ bezeichnet werden, da sie sich auf das Gebäude bezieht und den Boden nur pauschal bewertet. Dazu will Hamburg die Grundsteuer C als Aufschlag für unbebaute Grundstücke oder Grundstücke mit sehr geringer Bebauung bis zu 30qm nutzen.4)

Hamburg wie auch Bayern haben sich zur Ermittlung einer Bemessungsgrundlage für die Flächengröße des Grundstückes und der Gebäude je nach Nutzungsart mit einem jeweils festgelegten pauschalen Multiplikator entscheiden, wobei Bayern anders als Hamburg nicht nach Lagen unterscheidet. Das bayrische Grundsteuermodell wird als „Flächensteuer“ bezeichnet. Diese hat ein Gutachten als verfassungswidrig bezeichnet, mit der Begründung, dass der Gleichheitsgrundsatz wegen der fehlenden Lagekriterien unzureichend berücksichtigt sei.5)

Bodenwertsteuer
Baden-Württemberg wiederum berücksichtigt in einem eigenen Gesetz einzig den Boden in Form von Grundstücksgröße und Bodenrichtwert als Bemessungsgrundlage. Voraussetzung hierfür ist eine gute Datenlage und ein effizienter Gutachterausschuss. Die Gebäude werden nicht erfasst, was die Datenerhebung auf Seiten der Steuerpflichtigen deutlich vereinfacht. Es könnte sogar vom Finanzamt einfach ein Bescheid erstellt werden, ohne dass die Steuerpflichtigen eine Erklärung abgeben müssten. Begünstigt werden sozialer Wohnungsbau und Denkmäler. Die Grundsteuer C wird auch in Baden-Württemberg als zusätzlicher Hebesatz für unbebaute Grundstücke genutzt.6)

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Neuregelungen wurden schnell wieder aus der Welt geschaffen. Eine Musterklage, die am 25.3.2021 beim baden-württembergischen Verfassungsgerichtshof eingereicht worden war, wurde am 3.5.2021 als unzulässig zurückgewiesen. Geklagt hatte die Eigentümerin eines Einfamilienhauses, die das Modell als ungerecht empfand.7)

Chancen und Risiken der Bodenwertsteuer
Die Grundsteuer nach Bodenwertmodell nähert sich über den Bodenrichtwert automatisch an die Maximalnutzung von Grundstücksflächen an. Das passiert nicht ad hoc mit ihrer Einführung oder neuem Planrecht, sondern schrittweise, verträglich mit der Erfassung der Verkaufspreise der umliegenden Grundstücke in einer Nachbarschaft, einem Quartier oder einer Magistrale (Ausfallstraße). Unbebaute Grundstücke werden folglich ebenso hoch besteuert, wie bebaute Grundstücke. Das macht brach liegende Grundstücke in Wohnlagen eher unattraktiv. Um diese Wirkung noch zu verstärken, kann mittels der Grundsteuer C der Hebesatz hier nochmal erhöht werden, wenn das städtebaulich geboten ist. Bei brachliegenden Grundstücken oder Grundstücken mit Rohbauruinen, welche die Innenentwicklung blockieren, wäre das der Fall. Das Risiko der Umwälzung einer Bodenwertsteuer über die Betriebskostenverordnung (BetrKV) auf die Mietenden wird als gering eingeschätzt, da es sich hier um eine nicht mit dem Wohnraum verbundene Steuer handelt. Rein aus Vorsicht hat Baden-Württemberg dennoch Abschläge auf Grundstücke mit Wohnnutzung vorgesehen. Kurzfristig ansteigende Mieten in guten Lagen können ein weiteres Risiko darstellen, das allerdings nur von kurzer Dauer und bei den anderen Modellen ebenso wenig ausgeschlossen ist und dort eher noch längerfristig als Risiko betrachtet werden muss.8)

„Kurzfristig werden in diesen Lagen die Mieten v.a. dann steigen, wenn es einen Rent Gap gibt, d.h. die Bestands- und Neuvermietungsmieten stark auseinanderlaufen. Das wird es aber bei jedem Modell geben, das zu Abweichungen vom Status quo führt. Bei der BWSt ist es aber wahrscheinlich am spürbarsten. Dennoch: Mittel- und langfristig sind die Überwälzungsmöglichkeiten bei der BWSt am geringsten.

Dr. Dirk Löhr, Professor an der Hochschule Trier, Fachbereich Umweltwirtschaft/-recht

Ein weiterer Aspekt: Die Finanzierung der Infrastruktur in den Städten erfolgt über die Steuern der Arbeitnehmer*innen und Verbraucher*innen. Diese sind in Deutschland zur Hälfte Mieter*innen. Durch die Aufwertung von Infrastruktur steigt der Preis der Immobilien in den Quartieren und damit auch die Miete. Fazit: Die Miete erhöht sich also rekursiv durch die Nutzung der Steuern zur Schaffung und Verbesserung der Infrastruktur der Städte durch die Kommunen, die die Mieter durch Arbeit und Konsum erwirtschaften. Parallel steigen die Verkaufspreise von Immobilien ebenso finanziert von den mietenden Arbeitnehmer*innen und Verbraucher*innen. Es erhöht sich dazu noch der Wert der Städte und Kommunen an sich. Sie werden attraktiver und erzeugen dadurch wiederum eine höhere Nachfrage, was auch zu Aufschlägen bei Mieten und Immobilienpreisen führt.

Um diesem Kreislauf entgegenzutreten wäre eine schon auf verschiedenen Ebenen diskutierte Infrastrukturabgabe durch die Vermögenden in einer Stadt oder Kommune eine korrigierende Maßnahme. Die Bodenwertsteuer beinhaltet per se diese Korrekturgröße dynamisch, da sie direkt und einzig an die Bodenrichtwerte und den gemeindlichen Hebesatz gekoppelt ist. Ein wertvolleres Quartier führt zu einer größeren Einnahme aus dem Boden, und nicht zu höherer Miete.

Armut und Werte
Die Situation der geringverdienenden Menschen und die Tatsache, dass 13 Mio. Menschen in Deutschland in Armut leben, woraus resultiert, dass sich viele sich keinen Nachwuchs mehr leisten können, müssen in uns in der Politik veranlassen, die Umverteilung der Werte in unserer Gesellschaft herbeizuführen. Die Löhne müssten mindestens bei 15€/Std. liegen und die Mieten im sog. frei finanzierten Bereich bei 10-12€/m². Zudem gibt es deutlich zu wenig Sozialwohnungen, was sich wegen auslaufender Belegungsbindungen in Hamburg in den nächsten Jahren dramatisch verschärfen wird.

Dynamische Wohnraumförderung
Die Einnahmen aus einer skalierbaren Bodenwertsteuer kann und muss uns auch perspektivisch bei der Schaffung von sozial gefördertem Wohnraum helfen. Einerseits durch Normalisierung der Bodenwerte, andererseits schlicht durch Mehreinnahmen der Stadt. Parallel sollte die Förderung von sozialem Wohnungsbau gleitend gestaltet werden, um die Mittel zielgenau einzusetzen. Die Mobilität von Sozialwohnungen ist derzeit nicht gegeben und konterkariert sogar die immer längeren Bindungen die in den Städten derzeit mit der Wohnungswirtschaft verhandelt werden. Haushalte, die in Sozialwohnungen leben, aber zwischenzeitlich genügend Geld verdienen um reguläre Mieten zahlen zu können, würden dies dann in ihren Wohnungen tun, da nicht mehr die Wohnung selbst an eine Bindung gekoppelt ist, sondern gleitend die Haushalte per Steuernachlass und ggf. IFB über die Wohnraumförderung und dementsprechend über eine geringere Miete finanziert werden, in denen Menschen mit nachgewiesenem Einkommensdefizit gemäß Dringlichkeitsstatus oder Wohngeldanspruch leben. Eine Förderung gemäß alle zwei Jahre zu prüfendem Einkommensdefizit würde die Unterstützung komplett dynamisieren und beide Maßnahmen zusammen ein gewaltiges Einsparpotential bewirken, dass soziale Projekte und die Unterstützung bedürftiger Menschen wie bspw. Wohnungs- und Obdachlose auskömmlicher als bislang finanzieren lassen könnte. Bspw. könnten die Unterbringungen in den Wintermonaten in kleineren Unterkünften besser noch in Einzelräumlichkeiten finanziert werden.

Dazu wäre ein qualitativ gleichbleibender Standard in den Wohnungen herzustellen und nicht mehr nach Sozialausstattung oder normaler Ausstattung zu unterscheiden, um den Wohnraum gleichermaßen für alle Hinzuziehenden attraktiv zu gestalten. Als Übergangslösung kann die Sozialbindung über ein Ticketsystem gelöst werden, das einer Wohnung zugewiesen werden, aber auch wieder die Wohnung wechseln kann.

Genügend Gründe
Vor diesem Hintergrund ist für Hamburg nach Einführung der neuen Grundsteuer ab 2025 ein Gesetzgebungsverfahren zu starten, das die Weiterentwicklung der Grundsteuer zur Bodenwertsteuer mit paralleler Nutzung der Grundsteuer C regelt. Der gesellschaftliche Impact ist zu vernachlässigen, da die Erklärung der Steuer simpel ist und wie beschrieben durch das Finanzamt pro-aktiv erstellt werden kann.

Parallel ist der Mietenspiegel so auszugestalten, dass der gesamte Bestand im Mietspiegel zur Berechnung der Durchschnittswerte herangezogen wird. Der Neubau, bzw. dem Neubau gleichzusetzenden transformierte Gebäude, sind ebenfalls nach Mietenspiegel zu vermieten. Sämtliche „frei finanzierte“ Mieten müssen den Weg in den Mietenspiegel finden. Dadurch wäre auch ein kurzfristiger Anstieg von Mieten in guten Lagen abgefedert. Baden-Württemberg löst das Thema wie erwähnt über Nachlässe in entsprechenden Gebieten.

Verschiedene Grundstücke mit den unterschiedlichen Nutzungen und soziale und ökologischen Bedürfnisse können mit der Bodenwertsteuer leicht in Einklang gebracht werden. Gefördert werden können Nutzungen die von gesellschaftlicher Relevanz sind, bspw. Gewerbe- und Industrienutzungen, die sich ökologisch deutlich verbessern oder eben auch Vermietungen, die gesellschaftlich verträglich sind.


Quellen
1) https://de.wikipedia.org/wiki/Einheitswert#Hauptfeststellung
2) https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2018/04/
ls20180410_1bvl001114.html;jsessionid=82EC9FBC94A0D50EBA22CC7317FFB679.2_cid393

3) https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/
Steuerarten/Grundsteuer-und-Grunderwerbsteuer/reform-der-grundsteuer.html

4) https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/jlr-GrStGHArahmenhttps://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/jlr-GrStGHArahmen
5) https://www.tim-pargent.de/wp-content/uploads/2021/05/Schmidt-Gutachten-Grundsteuerals-Flaechensteuer-aktuell.pdf
6) https://fm.baden-wuerttemberg.de/de/steuern/grundsteuer/faq-zur-grundsteuer/
7) https://www.haufe.de/immobilien/wirtschaft-politik/grundsteuer-reform-nicht-am-ziel-abereckpunkte-stehen_84342_483246.html
8) https://www.sueddeutsche.de/politik/grundsteuer-reform-meinung-loehr-1.5099636

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