Bei vielen Politiker*innen und in den Verwaltungen/Behörden scheint das Thema Enteignung zu Gunsten von bezahlbarem Wohnungsbau ein rotes Tuch. Dagegen stehen fehlende bezahlbare Wohnungen. Wenn Spekulanten mit Primärbedürfnissen spielen, müssen wir als Politiker*innen etwas dagegen setzen. Da geht es neben bezahlbaren Nahrungsmitteln oder fossilen Energieträgern vor allem auch um Wohnraum: für 6 – 9€ gefördert, WA gebunden oder einfach zum Lohn passend fehlt in den Spielen der Spekulanten. Wir lesen derzeit täglich vom Drama um Consus/Adler (Consus ist Eigentümerin des Holsten-Areals und vieler ähnlicher durch Spekulation notleidender Projekte, Adler die Muttergesellschaft). Etwa 3.600 Haushalte mit Dringlichkeitsschein konnten in den letzten Jahren pro Jahr(!) in Hamburg nicht versorgt werden. Spekulation mit Primärbedürfnissen müssen meiner Meinung nach unterbunden oder mindestens die entsprechenden Gewinne abgeschöpft werden.
Das Baugesetzbuch sieht Enteignung als probates Mittel vor, wenn eine Stadt, Kommune oder Gemeinde die Entwicklungsziele, bspw. Wohnraum insbesondere in der Innenentwicklung bauen zu lassen, nicht erreichen kann, weil die Eigner*innen nicht bauen können oder wollen. Beides liegt bei Spekulanten wie der Adler Gruppe eng beieinander. Selbst wenn Enteignung nicht in jedem Fall durchgeführt wird, so wurde sie doch in Prozessen und Verhandlungen schon vielfach genutzt, um Bewegung in Projekte zur Erreichung der Richtung Entwicklungsziele zu bekommen. Was Adler angeht, sollte deren Zeitspiel klare Kante entgegengesetzt werden. Wenn über Ankäufe von Projekten durch Kommunen verhandelt wird, muss der Preis am aktuellen Bodenwert ausgerichtet werden und nicht am Buchwert der Spekulanten. Dazu braucht es das Enteignungsargument und die klare Haltung, dieses im Zweifel auch bspw. in einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme nach §165 Baugesetzbuch durchzuziehen. Beim Holstenquartier sind die Planungen unter dem Druck von Consus / Adler mit einer sehr engen Bebauung versehen. Hier bietet sich eine solche Maßnahme an, die dann die Bedürfnisse der zukünftig Mietenden und der Nachbarschaft stärker einbezieht.
Ohne diese Maßnahme zahlen die Mieter*innen, was hier entweder ob nicht genutzter Enteignungsmöglichkeiten zu teuer angekauft wird oder an Spekulationsschulden aufgestaut wurde. Das kann Politik definitiv nicht verantworten. Fraktionsvorsitzende der SPD in Altona und Hamburg haben sich, wie auch nachfolgend Fraktionsvorsitzende der Grünen, für einen Ankauf des Holsten-Areals ausgesprochen. Stark im Sinne der Preisverhandlungen sind wir nur, wenn wir die Möglichkeiten, die uns das Baugesetzbuch bietet, nutzen. Die insgesamt im Bezug auf das Holsten-Areal magere Bereitschaft der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen zum Austausch mit der Altonaer Bezirkspolitik erweckt den Anschein, dass die SPD-Fachbehörde sich scheut das Wort Enteignung zu benutzen oder über die Möglichkeit der Durchführung einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme mit dem Bezirk zu sprechen.
„Die Durchschnittswerte für alle neuen Stadtquartiere zwischen 2010 und 2020 belaufen sich auf 1016 Wohneinheiten auf einer Fläche von 39 ha.“
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) über bundesweite Entwicklungsmaßnahmen
Alle Consus Projekte, auch die anderer Tochtergesellschaften der Adler Group, sind jeweils für die Kommunen von herausragender Bedeutung. Auch das Holsten-Areal ist aufgrund seiner zentralen Lage und der etwa 1.300 Wohnungen, die dort mit einer Schulerweiterung und einem Kulturzentrum entstehen sollen von besonderer Bedeutung für die Freie und Hansestadt Hamburg und den Bezirk Altona. Zumal wir uns in Hamburg in einem vom Senat erklärten Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt befinden.
Bei der Dramatik am Wohnungsmarkt und weil hier mit Personen verhandelt werden muss, die mit allen Wassern gewaschen sind und gleichzeitig finanziell mit dem Rücken zur Wand stehen, sollten der Bezirk und der Senat eine klare Haltung verfolgen und die Neuordnung des Holsten-Areals im Rahmen einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme pro-aktiv anstreben. Die Bezirkspolitik muss in den Prozess der Verhandlung und der Planung einer städtebailichen Entwicklungsmaßnahme eng eingebunden sein, da das Gebiet im Bezirk liegt und dieser Plangeber ist. Leider ist die Bezirkspolitik derzeit nicht transparent vom Senat oder der Fachbehörde eingebunden. Ich plädiere daher leidenschaftlich für folgendes: Gemeinsam für das Gemeinwohl der Hamburger*innen inklusive deren Primärbedürfnisen nach bezahlbaren Wohnraum die beste Lösung für das Holsten-Areal erstreiten!
Lieber Herr Boettger, vielen Dank, dass Sie hier so klare Kante zeigen. Das würde ich mir von mehr Grünen und SPDlern wünschen – im Senat, aber auch in Altona, z. B. von Ihrer Kollegin von Berg. Es ist überfällig, dass das hausgemachte Desaster Holsten-Areal gemeinnützig gelöst wird.