Alte Quartiere profitieren heute von tollem ausgewachsenem und schützendem Baumbestand, unter dem es sich auch in Hitzeperioden aushalten lässt. Hier als noch relativ junge Bäume zu sehen in der damaligen Luruper Hauptstraße. Wir alle kennen das, wenn wir an einem heißen Tag auf einem versiegelten Platz stehen, nennen wir das gerne mal Backofen. Fahren wir dann mit dem Rad oder gehen zu Fuß durch eine Straße mit Großbaumbestand, wie die Luruper Chaussee Höhe Volkspark, erfreuen wir uns an der Abkühlung. Stadtplanung muss die die sozialen Bedürfnisse aber eben auch die ökologischen Bedürfnisse ihrer Bewohner*innen gleichermaßen klar im Blick haben. Dafür brauchen wir mehr Wohnraum aber auch mehr kühle Plätze und Straßen.
Eine Idee für mehr Wohnraum soll die Entwicklung an Hauptstraßen mit vorhandener Einfamilienhausbebauung oder eingeschossigen Supermärkten als sog. Magistralenbebauung oder Magistralenentwicklung auf wenig zusätzlich versiegelter Fläche sein. Dieser Ansatz aus Altona wurde für die gesamte Stadt übernommen, um generell in Hamburg nach und nach mehr Wohnungsbau an Hauptstraßen zu entwickeln. Dabei gilt es soviele der alten Bäume zu erhalten wie möglich und parallel neue junge Bäume zu pflanzen, die ihre „leistungsfähigsten“ Jahre noch vor sich haben.
Der Vertrag für Hamburgs Stadtgrün (oben als Lesetipp verlinkt) hebt die Bedeutung von Bäumen und Pflanzen als Grünverbindungen hervor. Er kann sich jedoch nicht gegen das Baurecht im Baugesetzbuch stellen und steht auch bei der Verkehrsplanung zurück. Dennoch müssen aus meiner Sicht Bäume und Stauden, die die Klimaresilienz der Stadt und ihre Biodiversität fördern, als kritische Infrastruktur bei der Auflösung von Zielkonflikten mit den verschiedenen Verkehrsteilnehmenden im Straßenraum und auch im Baurecht bei Befreiungen gesehen werden. Speziell die großen alten Bäume helfen, das Mikroklima in den immer heisser werdenden Sommern herunter zu kühlen. Darunter können sich die Menschen immer noch draußen aufhalten.
Idee: Bäume auf beiden Seiten, jeweils nur unterbrochen von Lieferparkbuchten und Haltestellen. Der MIV schwimmt mit dem Busverkehr und es gibt weniger Abbiegemöglichkeiten in die Nebenstraßen, die zu Ruhequartieren werden können. Die Wege müssten verschwenken, um den alten Baumbestand einzubinden. Die These ist hier, dass 2 Fahrstreifen ausreichen wo heute vier sind und wir dafür Platz für Bäume auf beiden Seiten der Luruper Haupstraße haben.
Die Mehrgeschossigen Häuser hier in der Darstellung sollen die Hauptstraßen nicht durchgängig zu einem Canyon werden lassen, das zeigen die Skizzen in der Draufsicht unten und sieht auch Hamburgs Oberbaudirektor Höing so.
Weniger Autos, mehr Freiraum – Hamburgs Weg in die Mobilitätswende – Deutschlandfunk 10/2021
Baumpflanzungen und Grünflächen wurden auch bei der Entwicklung der sog. Schlafstädte in den 60er und 70er Jahren, wie die Quartiere der Neuen Heimat, gut eingeplant. Wenn wir jetzt von den Bäumen zu den Menschen schauen, stellen wir fest, dass der sozialen Mix bei der Belegung der Wohnungen nicht erreicht wurde. Der Mix sichert die soziale Stabilität im Miteinander nicht zuletzt, weil dadurch die Attraktivität von Quartieren und Mikrozentren steigt. Cafés wie Ärztinnen brauchen auch zahlungskräftige Kunden.
Viel Grün und konsumfreie Aufenthaltsmöglichkeiten stärken darüber hinaus den Austausch und damit in letzter Konsequenz die Demokratie. Problemlösungen und Ideen entstehen so zwischen den Menschen im Miteinander – sie brauchen einfach den Platz dafür. Wohnen an der Hauptstraße braucht folgerichtig eine kleinteilige Entwicklung und deutlich weniger Verkehr. Hamburg plant den motorisierten Individualverkehr um 60% zu reduzieren.
Die Zeichnungen von Christiane Gerth, die ich hier zeigen darf, stellen beispielhaft die kleinen, wichtigen Punkte, Wege und Zonen dar, die es bei der Entwicklung von Quartieren, die ein gutes Angebot machen sollen, braucht.
Die Magistralen müssen vielmehr als Quartiersverbindung gedacht werden. Die starken Verkehrsströme durch Hamburgs Adern brauchen wir nicht, wenn Gewerbe, Kunst, Ausgehen, Kultur, Nahversorgung, Gesundheitsversorgung und Grün um die Ecke stattfindet. Die Mobilitätswende wird durch die Quartiere der kurzen Wege und durch eine intelligente Stadtplanung, die alle benannten Bereiche berücksichtigt, erreicht. In den Kerngebieten funktioniert das schon sehr häufig.
Das Potential hat ebenso die Äußere Stadt, wir müssen die Innenentwicklung nur mit den Menschen aus allen sozialen und kulturellen Ebenen, die dort leben, gut planen. Mit RISE haben wir da ein tolles Werkzeug und finanzielle Mittel hier auch in die Umsetzung zu kommen.
Neben der Quartiersentwicklungen an Hauptstraßen, die als Quartiersverbindungen zu entwickeln sein sollten, ist die Transformation von Gebäudenutzungen und das kontrollierte Aufstocken die Möglichkeit neuen Wohnraum zu schaffen, denn für Neubau gibt es keine Flächen mehr und ist auch vom CO² Fußabdruck nicht das Mittel der Wahl.
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