Eindrücke aus Malmö, Göteborg, Oslo, Trondheim und Kopenhagen
Diesen Sommer hatte ich die Chance, einige Städte im Westen Skandinaviens zu besuchen. Konkret ging es über Malmö, Göteborg, Oslo und Trondheim nach Kopenhagen.
Alle Städte liegen am Wasser und nutzen entsprechend ihre Wasserflächen für Freizeitangebote und für den freien Blick auf die Wohnquartiere. Häufig gibt es Badestellen. Wo wir in Hamburg feststellen, dass die Menschen gern draußen sitzen, auch bei niedrigeren Temperaturen, wird hier gleich mal ins Wasser gesprungen.
Was städtebaulich besonders in den Quartieren auffällt, ist die unterschiedliche Bauweise und Anordnung der Wohngebäude. Investorenprojekte mit einer eher kohortenartigen Anordnung mit geschlossenen Wohnblöcken und unattraktiven Innenhöfen stehen einer lockeren Anordnung in offener Bauweise mit viel Grün, Sport- und Aufenthaltsmöglichkeiten der genossenschaftlichen Bauvereine gegenüber. Wenn Anwohnende und zukünftige Nutzende an der Planung beteiligt werden oder es sich um gemeinnützige Projekte handelt, gibt es gute Ideen für die Aufenthaltsbereiche und Sportangebote. Einige Investorengruppen haben von diesen Ideen zwischenzeitlich gelernt.
Gerade Schweden ist ein Beispiel für einen Wohnungsmarkt, der von gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften geprägt ist. Sie heißen dort Bauvereine. Das Land investiert bei der Bodennutzung in den sozialen Zusammenhalt der Quartiere. Dabei spielt auch die Positionierung der Wohnblöcke eine Rolle. Indem die Gebäude offen zueinander angeordnet sind, gibt es weniger dunkle Ecken und tote Wege. Dadurch entstehen Eindrücke der Sicherheit, aber auch der Behaglichkeit, die durch die Beleuchtung dieser Wege und Plätze gefördert werden. Der soziale Austausch miteinander, die Belüftung der Höfe sowie der Lichteinfall für die einzelnen Wohnungen werden in der offenen Anordnung deutlich gefördert.
Die Kommunen in Skandinavien legen Wert auf Sport- und Freizeitangebote im öffentlichen Raum für alle Altersgruppen. Es gibt neben Geräten und Hügeln auch häufig Bodenbeschriftungen für Hüpfspiele, gerade in Kopenhagen ist das verbreitet.
Die Blickbeziehungen zu den Nachbarblöcken oder den nächstgelegenen Quartieren werden hier besonders herausgearbeitet. Die Gebäude zeichen sich durch unterschiedliche Farbgebung und Fassadenmaterialien aus. So entsteht eine Identität und Beziehung der Bewohnenden zu ihren Quartieren und Wohnhäusern. An dieser Stelle gibt es die erste Runde Fotos aus Malmö und Göteborg, viel Freude beim Durchschauen!


























In Göteborg konnte ich mir den Science Park auf der gegenüberliegenden Seite zur Altstadt anschauen. Fähren pendeln kostenfrei hin und her. Der Park ist eine Forschungseinrichtung speziell auch zu Mobilitätsthemen. Dort angeschlossen gibt es alte Hafenanlagen, die nun durch neue Wohnquartiere und für Events erschlossen werden. Neben der Wohnbebauung und den Forschungseinrichtungen werden alte Hallen als Markt- oder Veranstaltungshallen hergerichtet, um den hier arbeitenden und lebenden Menschen Abwechslung und Freizeitangebote anzubieten, aber auch um historische Bezüge zu erhalten, die wiederum identitätsstiftend sind. Etliche Bauprojekte im alten Teil um den Bahnhof zeigen, dass die Stadt einiges vor hat. Eine OP am offenen Herzen, viele Gebäude aus den 50ern und neue Gebäude am Wasser sowie erste autoarme Zonen stellen aktuell eine interessante Kontroverse dar.








Oslo scheint mir am deutlichsten auf autofreie Quartiere in Skandinavien zu setzen. Die Entwicklung der Quartiere der letzten 20 Jahre zeigt in allen Städten eine klare Tendenz hin zu autofreien Wegebeziehungen auf. Das als Fahrrad-Olymp wahrgenommene Kopenhagen kommt da interessanterweise nicht so ganz mit.
Die Stadtverwaltung in Oslo realisierte durch den Umbau im Bestand einige autofreie oder autoarme Quartierszentren, um dadurch den öffentlichen Raum sozial zu nutzen. Der große Anteil der radfahrenden und zu Fuß gehenden Menschen ist deutlich wahrzunehmen, die Zentren sind absolut belebt ohne dabei laut und schrill zu sein. Der kleinteilige Einzelhandel profitiert enorm. Das Angebot, sich im öffentlichen Raum aufzuhalten, wird durch Bänke im Grünen und am Fluss durch Einheimische und Tourist*innen wahrgenommen und gern genutzt.
Neben den Wohnquartieren habe ich in der folgenden Fotogalerie die spektakuläre Sicht auf die Osloer Oper, die sich ästhetisch in das Stadtbild einfügt und den Übergang ins Wasser fließend gestaltet. Auch ein Foto des neuen Munch Museums ist dabei. Es wird von vielen als viel zu dominant wahrgenommen und schirmt meines Erachtens noch dazu die neuen Wohnquartiere in seinem Rücken ab. Die dortigen Bewohner*innen müssen sich die Rückwand anschauen, die die angrenzenden Quartiere zudem noch teilweise verschattet. Abgesehen davon gibt es tolle Ufererlebnisse, eine Brücken- und Floßlandschaft zum Verweilen, als Streetfood-Platz und zum Saunieren.












































Investorengetriebene Projekte zeichnen sich durch eine vier- oder fünfeckige geschlossene Wohnblockkubatur quasi wie kleine Burgen aus. Die insbesondere kleineren geschlossenen Innenhöfe laden kaum zum angeregten Austausch ein, da Gesprächslärm sofort auf allen Balkonen und in den Wohnungen, insbesondere wenn die Terrassentüren offen sind, wahrnehmbar ist. So kommen die Bewohnenden nicht in den Austausch. Gemeinsame Bepflanzungsaktionen und den Schnack im Hof sehen wir eher in gemeinnützigen Projekten von den Bauvereinen oder in Projekten mit intensiver Beteiligung.
Skandinavische Kommunen setzen sehr darauf, die Klimaziele und den sozialen Zusammenhalt mit einer pragmatischen Herangehensweise zu erreichen. Es wurde in der Stadtentwicklung nicht immer alles richtig gemacht, aber es ist eine gute Lernkurve zu erkennen. Viele Eigentumssiedlungen oder soziale Wohnungsbausiedlungen, die sehr einseitig auf Wohnen ausgerichtet sind, werden umgebaut und ergänzt. Hier sollen die Erfahrungen aus neueren Quartieren helfen, was unseren RISE-Projekten gleicht. Es wird immer deutlicher, dass die Menschen in den skandinavischen Ländern ihre Gesellschaften in gemeinnützigen Projekten mit guten, offenen Angeboten zufriedener machen und in gutem Austausch gefördert wissen möchten. Die Lust auf Familienplanung wächst dabei, das lässt sich in der Demographie der europäischen Staaten gut ablesen. Zudem können sich geflüchtete Menschen und generell Menschen mit Migrationshintergrund in gut durchmischten Quartieren, in denen der soziale Austausch gefördert wird, besser integrieren.
Der Mix macht diese Quartiere besonders lebenswert. Da die gemeinnützigen Wohnungen niedrigpreisig sind und mit Eigentumsförderungen durch eine so genannte Mieter*innen-Bausparkasse angeboten werden, wird ein sehr ausgewogener sozialer Mix erreicht. Gleichzeitig sind die Bewohnenden vor Altersarmut viel besser geschützt als in Gesellschaften, in denen der Mieter*innen-Markt von institutionellen, profitorientierten Investmentgesellschaften dominiert wird. Besonders Schweden ist hier Vorreiter mit seiner Mieter*innen-Bausparkasse HSB. Mieter*innen sparen über einen Teil der Miete plus einen eigenen Anteil, je nachdem was ihnen möglich ist, für eine Eigentumswohnung im Verein (bei uns nehmen Genossenschaften die Rolle der Bauvereine ein) an. Bei Zuteilungsreife wird ein Teil des Kaufpreises als Darlehen gewährt. In Kopenhagen ist eine ähnliche gemeinnützige Mieter*innenbausparkasse und Bauverein geplant. Die Mietmärkte und die Wohnungsknappheit sind auch hier ein Thema. Auch sollen Obdachlosigkeit und Armut durch die neue Gemeinnützigkeit vermieden werden.






































Was in Gesprächen und Besichtigungen auf meiner Reise deutlich wurde: Die Bauindustrie präsentiert sich noch wenig offen für alternative, ökologische Baumaterialien. In Nordeuropa wird viel mit Holz gebaut, ob der Verfügbarkeit gehört das allerdings hier zum konventionellen Bauen. Es ist ein schönes und klimafreundliches Material, sowohl für das Raumklima als auch für den CO2-Abdruck. Derzeit zieht eine Stagnation bzw. Rezession durch die Bauindustrie. Durch den dringend benötigten Wohnraum, auch in den skandinavischen Ländern, die ich besucht habe, liegt der Druck auf der Schaffung von neuem Wohnraum. In der jetzigen Baukrise werden Zuschüsse seitens der Industrie gefordert, die, wenn wir so weitermachen würden wie in der Vergangenheit, in falschen Wohnraum, zu teuren Wohnraum und umweltschädlichen Wohnraum resultierten, finanziert zum größten Teil aus Lohn- und Umsatzsteuern der Verbraucher*innen und zusätzlich der Mieter*innen.
Um die Bautätigkeit weiter zu mobilisieren, müssen ernsthaft auch Transformationsprojekte, also bestehende Gebäude, zur Umnutzung in Betracht gezogen werden. Darin sind sich auch hier Exper*innen einig. Weiterhin sind Sonderabschreibungen von 3 % auf 7 % in Deutschland für einen begrenzten Zeitraum erstmal ein guter Anreiz, wenn sie denn an klimafreundliches Bauen und die Nutzung nachwachsender Rohstoffe gebunden wären. Dabei kann nicht nur Holz gemeint sein, denn davon wird es nicht ausreichend geben.
Hier noch ein paar Eindrücke aus Kopenhagen, wo schon seit langem sehr in die Radinfrastruktur investiert wurde. Auch tolle Wohnquartiere wurden in den letzten 20 Jahren entwickelt. Einen eigenen Beitrag zu einer beispielhaften und kontroversen Entwicklung in Kopenhagen findet ihr in meinem Beitrag über die Entwicklungen Krøyers Plads und Papiørnen.














Auf dieser Reise besichtigte ich verschiedene Quartiere im langjährigen Bestand, neue Quartiere, die in den letzten 20 Jahren erbaut wurden, sowie im Bau befindliche neue Wohnquartiere und führte Gespräche zu Sanierungsstrategien. Gerade der skandinavische Raum ist geprägt von guten Ideen, was die Freizeitgestaltung vor Ort, den sozialen Austausch, nachhaltige Materialien beim Bauen sowie die Energiegewinnung und das Recycling angeht. Die Eindrücke geben mir weitere Inspiration und schlicht ToDos mit auf den Weg.
Meinem familiären Umfeld und allen, die mir diese Reise ermöglicht haben, den Fachleuten und Ortskundigen, mit denen ich sprechen durfte, bin ich sehr dankbar. Ich werde die Inspriration in meiner politischen Arbeit im Rahmen der Parteiarbeit bei BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN weiter wirken lassen und hoffe dem Gemeinwohl und gesellschaftlichen Zusammenwirken in den jeweiligen politischen Gremien einen weiteren Anschub geben zu können.
Link-Empfehlungen:
Kompakte Beschreibung einiger Quartiere: https://cphvillage.com
Architekturausstellung Kopenhagen: https://dac.dk/en
Präsentation Berliner Projekt auf der Architekturausstellung: https://osark.dk/molkenmarkt